Aktuelle Predigten

Wir laden ein die vergangenen Predigten nachzulesen, indem Sie den Text ausklappen.

Predigt vom Gottesdienst vom Ostersonntag

Dieser und weitere Predigttexte finden sich auch unter 

"Predigten der letzten Zeit"

Predigt Jes 6,1-8, St. Lukas, 4.06.2023


Liebe Gemeinde,
Heilig – heilig – heilig - --- ich vermute, dieses 3-
malige „heilig“ mit der Fortsetzung „ist der Herre
Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll“, kommt
Ihnen/Euch bekannt vor.
Wir singen es in fast jeder Abendmahlsfeier nach
dem Vorbereitungsgebet vor den Einsetzungsworten;
es ist das klassische „Sanctus“ der Eucharistie, der
Feier des Heiligen Abendmahls.
Jeder der Engel ruft es in der Vision, die Jesaja im
Jerusalemer Tempel hat, immer wieder den anderen
Engeln zu: „Heilig, heilig, heilig“.
Ich gehe hier jetzt nicht darauf ein, was zur Zeit des
Jesaja unter „heilig“ verstanden wurde, auch nicht
was das gegenwärtige Judentum damit meint.
Ich versuche zu zeigen, was wir Christinnen und
Christen damit verbinden, wenn wir einstimmen in
das dreimalige „Heilig“.
Gott ist heilig als der, der sich dem Jesaja in dessen
Berufungsvision offenbart. Ein gigantisches Bild
beschreibt der Prophet in den ersten 8 Versen des 6.
Kapitels – und ausnahmsweise sind sich die
wissenschaftlichen Ausleger des AT darin weitgehend
einig: Diese Verse hat Jesaja selber
niedergeschrieben oder diktiert. Er „sieht“ im

Jerusalemer Tempel Gott. Dabei ist der riesige
Tempel – damals in Jerusalem und Umgebung das
mit Abstand größte Gebäude, das die Menschen
kannten – gerade mal in der Lage, den Saum des
Gewandes Gottes aufzunehmen. Gott selbst ragt
noch weit über den Tempel hinaus. Das „Heilig, heilig,
heilig“ der Seraphim, der Engel, ist so gewaltig, dass
die Schwellen des Tempels, die besonders schweren
Steine an den Eingängen, erzittern. Zudem erfüllt
Rauch – vermutlich Weirauch – das gesamte
Gebäude. Vor dieser ungeheuren Größe und Macht,
vor der Gegenwart Gottes selbst, geht Jesaja in die
Knie: Gottes Majestät rückt ihm so nahe, dass er
sicher ist: Das halte ich nicht aus, da vergehe ich wie
Wachs in der Hitze des Feuers. Erst als einer der
Engel die Lippen Jesajas mit einer glühenden Kohle
aus dem Rauchopferaltar berührt und damit alle
Unreinheit Jesajas „wegbrennt“, seine Schuld von
ihm nimmt, seine Sünde sühnt, also einen gerechten
Ausgleich für sie schafft, erst da kann Jesaja die
Gegenwart Gottes aushalten, kann er die Frage
Gottes wahrnehmen: „Wen soll ich senden?“ – kann
er sagen: „Hier bin ich, sende mich.“ Was bleibt ihm
bei einer solchen Vision auch schon anderes übrig?
Gott ist heilig meint in dieser Vision Jesajas, dass er
Gott wahrnimmt als eine alles überragende Macht
und Herrlichkeit; als Energiestrom, dem er in keiner
Weise gewachsen ist; als so stark leuchtende

Reinheit, dass er sich dagegen winzig und schmutzig
vorkommt.
Gott als über unser Begreifen Unendlicher; Gott als
Schöpfer des Universums mit seinen Milliarden
Milchstraßen; Gott als unerreichbarer und uns in
allem Überlegener – das meint das Heilig-heilig-heilig
in unserem Predigttext.
Für uns Christen aber ist Gottes Heiligkeit nicht
allein damit beschrieben. Ja, sie hat sich ihrer Macht
entkleidet, hat sich ganz klein gemacht im Kind in der
Krippe, ganz ausgesetzt im Wanderprediger aus
Nazareth, der morgens nicht wusste, wo er abends
sein müdes Haupt hinlegen würde; ganz elend im
Gefolterten in der Burg Antonia, wo Pilatus residierte
und den Angeklagten verspotten und misshandeln
ließ; ganz voller Schmerzen und Atemnot am Kreuz –
bis zum schändlichsten Tod, den es damals gab.
Von diesem ganz und gar „heruntergekommenen
Gottessohn“ sagen wir Christinnen und Christen: Er
ist heilig, weil er die Liebe so radikal gelebt hat, wie
kein anderer; weil er diesen Weg gegangen ist, damit
uns weder Leid noch Schuld noch Tod mehr von
Gottes Liebe trennen können, weil er sich, sein Leben
hingegeben hat, damit wir es glauben können: Gott,
der unendlich große und heilige und unfassbare ist
auf unsere Seite gegangen, hat uns an sein Herz
genommen; steht zu uns in allem, was unser kleines,
bedrohtes, manchmal so schönes und manchmal so
elendes Leben ausmacht.

Wie sonst könnten wir dieses „aus Liebe leiden“
nennen, als „heilig“?
Die dritte Bedeutung, die das Wort „Heilig“ für uns
Christinnen und Christen hat, liegt in der
Unbegreiflichkeit, dass der Gott, der der Schöpfer der
Welt ist und unendlich groß und herrlich, derselbe ist,
der in Jesus Christus Mensch wurde und am Kreuz
gestorben ist. Schon dieser Satz, den ich eben gesagt
habe, ist eigentlich eine Unmöglichkeit: Gott kann
nicht sterben – und wenn er es doch tut, dann gibt es
keinen Gott mehr.
Außer: Dieser Gott ist als der eine Gott eine Dreiheit:
Gott Vater, der Gott Sohn in die Welt sendet und ihn
hingibt in Leid und Tod, der ihn sich gleichsam vom
Herzen reißt, damit unsere Herzen begreifen, wie
sehr er uns liebt, was er für uns aus Liebe tut.
Gott Sohn, der Gottes Liebe hörbar und spürbar
macht in seinem Reden und Handeln auf der Erde,
der sein Leben hingibt am Kreuz, damit auch noch der
Schwerstverbrecher es glauben kann, dass Gott ihn
nicht aufgegeben hat; damit auch der Gequälte und
Geschundene weiß: Gott ist an meiner Seite!
Und Gott Heiliger Geist: Die Kraft der Hingabe, die wir
unendliche Liebe nennen; die Vater und Sohn auch
da noch verbindet, wo sie von außen her gesehen
ganz auseinandergerissen sind im Tod des
Gekreuzigten; die Kraft der Liebe, die nach Ostern
überspringt auf die Jüngerinnen und Jünger;

die eine neue Gemeinschaft entstehen lässt, in der es
nicht um „Oben“ und „Unten“ geht, sondern um
Solidarität und gegenseitige Hilfe; um Hinwendung zu
denen, die „ganz unten“ sind; um die Weitergabe der
Botschaft, dass Gottes Liebe unsere menschlichen
Grenzen eingerissen hat in Jesus Christus; um die
Wahrheit, dass wir nicht dadurch frei werden, dass
wir tun können, was wir wollen; sondern dadurch,
dass Gott uns befreit aus dem „in-uns-selbst-
gefangen-sein“.
Heute ist Trinitatis: Das Fest der Dreieinigkeit, der
Trinität Gottes: Des Gottes, der in einem alle drei ist:
Vater, Sohn und Heiliger Geist - und alle drei in
Einem; der nicht nur liebt, sondern selbst „Liebe ist“.
Der in sich vollkommen und vollkommene
Gemeinschaft ist, und der zugleich mit seiner
überströmenden Liebe uns in die Gemeinschaft mit
ihm hineinnehmen möchte: Nicht mit Zwang, wie es
der allmächtige könnte, sondern mit der Autorität
der Bitte, wie es der Liebe entspricht.
Wie es sich genau verhält mit der Dreieinigkeit
Gottes, darüber haben sich Theologen aller
Jahrhunderte immer wieder den Kopf zerbrochen.
Einer von ihnen war Augustinus. Von ihm gibt es die
Legende, dass er einmal am Strand spazieren ging
und einen Jungen sah, der mit einem Löffel immer
wieder zum Meer ging, Wasser holte und es in ein

Loch am Strand schüttete. „Was machst du da?“ soll
Augustinus gefragt haben. „Ich schöpfe das Meer
aus“, antwortete der Junge. „Das ist doch völlig
aussichtslos“ meinte Augustinus. Und darauf der
Junge: „Es ist auch nicht aussichtsloser als das, was
du machst, wenn du mit deinem kleinen Verstand
versuchst, die Dreifaltigkeit Gottes zu begreifen.“
Soweit die Legende. Sie macht deutlich, dass der
dreieinige Gott bei all dem, was er uns bekannt
gemacht hat, immer auch Geheimnis bleibt
Nach Trinitatis, nach dem Fest der Dreieinigkeit
Gottes kommen viele Sonntage, die alle nach diesem
Fest benannt sind.
Früher fand ich das fürchterlich langweilig;
spätestens statt dem 11. Sonntag nach Trinitatis
müsste doch endlich mal was anderes kommen.
Aber ist es nicht sachgerecht, dass wir nicht nur einen
Sonntag, sondern viele Sonntag dem Geheimnis
Gottes nach-denken: seiner Dreieinigkeit, dem
Unbegreiflichen, dass der unendlich große Gott sich
ganz klein gemacht hat und uns kleine Menschen in
die Gemeinschaft mit sich hineinliebt, gestern und
heute und morgen.
Diesem Geheimnis Gottes nach-denken, sich ihm
öffnen, ihn anbeten und seine Liebe aufnehmen –
das lasst uns tun, heute und an den kommenden
Sonntagen des Kirchenjahres, Amen